"Mahnender Mühlstein“ im Speyerer Domgarten

Wort von Domkapitular Franz Vogelgesang bei der Auftaktveranstaltung
am 20. Oktober 2011

Meine sehr geehrte Damen und Herren,

„Wer aber einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, dem wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde.“

Das Wort Jesu, das uns der „mahnende Mühlstein“ vor Augen hält, ist drastisch. Es erinnert uns unmissverständlich an unsere Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen. Heranwachsende, die Opfer von Gewalt, von sexuellem Missbrauch werden, sind oft für ihr ganzes Leben gezeichnet. Der „mahnende Mühlstein“ ist ein Appell, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun müssen, um Gewalt, um sexuellen Missbrauch insgesamt und insbesondere sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen zu verhindern. Dies ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Denn Missbrauch ereignet sich in allen Bereichen, in den Familien, in Schulen, Heimen, in Vereinen und auch im kirchlichen Bereich.

Gerade für uns als Kirche sind die schrecklichen Taten, die in den letzten anderthalb Jahren öffentlich wurden, ein Skandal, der uns zutiefst erschüttern muss. Denn im Raum der Kirche ist Missbrauch besonders schlimm - gerade vor dem Hintergrund ihres Auftrags und Anspruchs.

Eine wesentliche Erkenntnis aus dem ungeheuerlichen Geschehen der Vergangenheit ist, dass wir dem Bereich „Prävention“ noch viel größere Bedeutung zukommen lassen müssen. Das Bistum Speyer wird in Kürze eine Präventionsordnung in Kraft setzen, die mit dazu beitragen soll, künftigen Missbrauchsfällen vorzubeugen und die Mitarbeiter für das Thema „Missbrauch" noch stärker zu sensibilisieren. In dieser Ordnung ist unter anderem die Bestellung eines eigenen Präventionsbeauftragten vorgesehen. Dieser soll beispielsweise für die Weiterentwicklung von verbindlichen Qualitätsstandards sowie die fachliche Beratung von Aus- und Weiterbildungseinrichtungen zuständig sein. Die Ordnung sieht auch eine Selbstverpflichtungserklärung aller kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor. Dabei geht es zum einen um einen eigenen reflektierten Umgang mit Schutzbefohlenen, um einen achtsamen und verantwortungsbewussten Umgang mit Nähe und Distanz. Zum anderen soll aber auch dazu angeleitet werden, Fehlverhalten anderer wahrzunehmen und darauf entsprechend zu reagieren. 

Eine weitere Maßnahme hat die Diözese Speyer bereits im Sommer dieses Jahres umgesetzt: Von allen rund 1150 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gefordert. Damit soll gewährleistet werden, dass nur Personen mit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen betraut werden, die neben der erforderlichen fachlichen auch über die persönliche Eignung verfügen. Wer rechtskräftig wegen einer Sexualstraftat verurteilt worden ist, darf auf keinen Fall Minderjährige betreuen oder mit diesen regelmäßig in sonstiger Weise Kontakt haben können.

Verstärkt werden soll auch der Bereich der Schulungen der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es hat in der Vergangenheit bereits einige entsprechende Veranstaltungen gegeben, unter anderem im Priesterseminar. In Planung ist für das erste Halbjahr 2012 eine ganztägige verpflichtende Fortbildung für alle pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Thema „Prävention, Achtsamkeit“. Über entsprechende Maßnahmen der kirchlichen Jugendverbände hat Sie Frau Glaser, die Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend in unserem Bistum, gerade informiert.


Meine sehr geehrten Damen und Herren,

jeder Fall von sexuellem Missbrauch ist ein Fall zu viel. Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens, ein Klima, das Kinder stark macht, und die Täter wissen lässt, dass sie mit keiner Rücksichtnahme rechnen dürfen. Das Thema „Missbrauch“ muss im Fokus bleiben - daran wird der „mahnende Mühlstein“ in den kommenden Wochen die vielen Tausend Menschen, die unseren Dom besuchen, unübersehbar erinnern.