Gedanken nach der Veranstaltung

Veranstaltung:  Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch Priester

Eine Veranstaltung des Bistums Aachen in Kooperation mit der „Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen e.V.“

12. Juli 2010, 19:30; im Haus der Caritas, Heierstr. 17, 41747 Viersen

Teilnehmer  Podium: 

  • Pfr.  Heiner Schmitz, Leiter der Hauptabteilung Pastoralpersonal des Bischöflichen Generalvikariates Aachen
  • Johannes Heibel, Vorsitzender der Initiative
  • Prof. Dr. Löhrer, Arzt und Psychotherapeut, Aachen

Frau Christel Pott eröffnete die Veranstaltung, die sie organisiert hatte.
Herr Rüthers moderierte die Diskussion.

Es waren zwischen 70 und 80 Personen anwesend.  Das Publikum stellte viele Fragen an Pfr. Schmitz.  Folgende Informationen kamen dabei heraus:

1. Pfr. K bekommt 1100€ als „sustentatio“ anstatt seines regulären Gehalts vom Bistum Aachen.  Es war nicht ganz deutlich, was die deutsche Bischofskonferenz bis Mai 2010 Pfr. K gezahlt hat.

2. Die deutsche Bischofskonferenz hat den Anwalt von Pfr. K bis Mai 2010 bezahlt.

3. Seit 29. Mai 2010 ist nicht mehr die deutsche Bischofskonferenz für Pfr. K zuständig, sondern wieder das Bistum Aachen („Die Freistellung zur Auslandsseelsorge wurde gekündigt)

4. Im Oktober 2003 bekam das Bistum Aachen einen anonymen Brief, in dem viele Punkte über Pfr. K angesprochen wurden, unter anderem die Saunagänge mit Minderjährigen.  Inzwischen haben sich diese Punkte als wahrheitsgemäß herausgestellt.  Damals hat Pfr. Schmitz, der seit Mai 03 in diesem Amt ist, einen Dekan damit beauftragt, bei Pfr. K bezüglich der Saunagänge nachzufragen. Pfr.  K hat diese Saunagänge nicht bestritten und argumentiert, dass er einen unverkrampften Umgang mit den Menschen habe.  Es wurde ihm verboten,  weiterhin solche Saunagänge durchzuführen, was aber nie kontrolliert wurde.

5. Diese Saunagänge hätten alle Ohren des Bistums hellhörig machen müssen, da ein ganz schwerer Fall von Missbrauch an vielen Kindern im gleichen Bistum auch mit Saunagängen verbunden war.  Pfr. Schmitz räumte ein, dass er sich nie über diesen früheren Fall informiert hätte.

6. Pfr. Schmitz hat zwar eingeräumt, dass er sich jetzt anders verhalten würde als damals, hat aber nie so richtig eine Schuld zugegeben, sondern immer wieder versucht, sein Fehlverhalten zu erklären.  Außerdem hat er zwar gesagt, er würde sich anders verhalten, aber nie gesagt, was er anders tun würde.   Wir dankten ihm zwar, dass er den Mut hatte, als Einziger bisher sich so einer Diskussion zu stellen.  Jedoch hat ein mutiges Geständnis seines Fehlverhaltens und daher seiner Mitschuld gefehlt.  Er hat betont, dass er und der Bischof aufrichtig daran interessiert sind, dies in Zukunft besser zu machen. 

7. Es wurde deutlich, dass jedes Mitglied der verschiedenen Gemeinden, in denen Pfr. K gearbeitet hat, irgendwie betroffen ist.  Die schwersten Opfer sind die missbrauchten Kinder.  Aber  neben den Eltern und Familien dieser Kinder sind auch alle betroffen, die mit dem Pfarrer gearbeitet haben.  Jeder fragt sich, was er übersehen hat oder  falsch gemacht hat oder ob sein eigenes Kind oder Enkelkind  missbraucht wurde. Jedes Gemeindemitglied hat ein Recht auf Beistand der Kirche in seiner Betroffenheit. 

8. Im Januar 2010 hat der  Vater von Christopher  bei Pfr Schmitz angerufen und ihm den schweren Missbrauch durch Pfr. K an seinem Sohn geschildert.   Er bat noch um etwas Zeit, um mit seinem Sohn zu besprechen, was man tun solle.  Pfr. Schmitz hat daraufhin nichts unternommen.  Er hat nie wieder nachgefragt, obwohl er diesen  Vater kannte und ihm völlig geglaubt hatte.  Er war dann ganz perplex, als er die Geschichte aus der Presse hörte.  Es war ihm nie in den Sinn gekommen, selbst in einer Art Betreuung /Begleitung dieser Familie aktiv zu werden. 

9. Ich habe das Verhalten von Prälat Prassel mehrmals als völlig falsch und destruktiv für die Gemeinde beschuldigt und um eine Erklärung gebeten, aber keine Antwort bekommen. Was ihn betrifft, wurde jegliche Information verweigert.

10. Das Thema Prävention wurde angeschnitten, war aber nicht das eigentliche Thema und diente meines Erachtens mehr der Ablenkung als der Information.

Meine Reaktion auf diese Information:

Wir Eltern aus Johannesburg haben es Pfr. Schmitz zu „verdanken“, dass unsere Kinder von Pfr. K missbraucht werden konnten.

Er hat zwar  um Vorschläge zur Verbesserung gebeten.  Aber man hatte doch große Zweifel, ob er wirklich welche hören wollte.

Ich weiß z.B. nicht, ob er den Punkt des Publikums verstanden hat, dass die Kirche den Kontakt mit den Opfern suchen muss und aufrecht erhalten muss anstatt passiv zu warten, bis sich die Opfer nochmals melden.   Er wirkte ziemlich hilflos und inkompetent in seiner Funktion. 

Vielleicht sollte man ihn bei seinem Wort nehmen und ihm klare Anweisungen geben, was eine Gemeinde beim Verdacht des Missbrauchs (oder auch anderer Kritik an einem Pfarrer) von der Kirche erwartet.  

Es war sehr enttäuschend, dass es zum  Verhalten von Prälat Prassel keine Erklärung oder Distanzierung gab.  Das hätte in so einer Veranstaltung eigentlich erwartet werden können, wenn man der Aufrichtigkeit zu Offenheit und Transparenz Glauben schenken soll. 

Ich habe Pfr. Schmitz nach der Veranstaltung auch daraufhin gewiesen, dass das  Verhalten von Pfr. K und Prälat Prassel dem Bischof von Johannesburg gegenüber äußerst arrogant und respektlos war.   Ich bezweifle jedoch , dass dies weitergegeben wird.  Prälat Prassel schuldet den Opfern und ihren Familien, sowie der Gemeinde, eine Entschuldigung und einen öffentlichen Rücktritt aus verantwortungsvollen Positionen.

Wir Kirchensteuerzahler/Opfer bezahlen den Anwalt des Täters, ob wir das wollen oder nicht.  Wenn wir einen Anwalt brauchen, hilft uns die Kirche nicht.  Auch Pfr. Schmitz hat bei dieser Veranstaltung keine finanzielle Hilfe zugesagt.  Zur Offenheit, die die Kirche jetzt verspricht, gehört auch, dass das Geld zu dem fließt, dem man helfen will:  Täter oder Opfer?  Es steckt ein menschenverachtender Sarkasmus in diesem System, in dem die Opfer (=alle irgendwie betroffenen Gemeindemitglieder) die teuren Anwälte der Täter bezahlen.

Die Kirche benutzt die Verpflichtung zur Neutralität während eines Prozesses als Ausrede, um den Opfern nicht helfen zu müssen.  Dabei  verhält sich die Kirche keineswegs neutral.  Dem Angeklagten Pfarrer K wurden die Kosten des teuersten Anwalts von Johannesburg bis Mai 2010 bezahlt.  Es war im Sinne der Verteidigung, den Prozess mit immer neuen Lappalien zu verschleppen.  Dies hat die Kirche voll finanziert und hat keineswegs zur Wahrheitsfindung gedient.  Den Opfern wurde nicht einmal die Kostendeckung von eventueller  therapeutischer Hilfe angeboten. In Johannesburg dient der Staatsanwalt den Opfern.  Einen eigenen Anwalt können sich die Familien nicht leisten.

Wer bezahlt die Anwaltskosten, wenn ein Lehrer wegen Missbrauchs angezeigt wird?  Der Staat? 

Wir Gemeindemitglieder/Kirchensteuerzahler/Katholiken haben das Recht auf Information, Begleitung und Hilfe. Betreuung/Beistand ist die Funktion der Kirche.  Andernfalls verfehlt sie ihren Sinn.  Es ist nicht die Funktion der Kirche, sich als erstes um die Pfarrer zu kümmern.  Wir sind sozusagen alle“ Vereinsmitglieder“, die durch ihre Mitgliedschaft dieses Recht auf Betreuung  erwerben.  Das Gegenteil ist aber der Fall:  die Mitglieder des Vereins werden alleingelassen, wenn im Vorstand Mist gebaut wird.

Die Kirche muss sich von ihren schwarzen Schafen öffentlich und total distanzieren.  Wenn sie die Täter-Pfarrer weiterhin unterstützt (oft ja sogar noch nach einem Schuldspruch!), macht sie sich mitschuldig. 

Die einzige Art, wie die Kirche ihre Vertrauenswürdigkeit erlangen kann, ist durch die direkte Erfahrung der Menschen mit den Pfarrern und Kirchenvertretern, die eine gute Arbeit in ihren Gemeinden leisten.  Der bisherige Umgang der Kirche mit den Pfarrer-Tätern ist auch eine totale Untergrabung dieser Arbeit.  Die Vertuschung und Heimlichtuerei bis Redeverbot und Drohung einer Rufmordanklage stehen im totalen Widerspruch zur Aufgabe der Kirche, zur eigentlichen Arbeit der Pfarrer und zum Evangelium.  Je mehr sich die Kirche um ihre Hierarchie kümmert, desto mehr entfernt sie sich von ihrem eigentlichen Sinn.  Die Kirche muss ihre Machtposition aufgeben, um Vertrauensposition zu erlangen.  Beides geht nicht. Solange sie sich diktatorisch verhält, wird sie das Vertrauen immer mehr verlieren.   

Vielleicht ist es falsch, dass sich der Staat in Deutschland zum Geldeintreiber der Kirche benutzen lässt.   Solange die Kirchensteuerzahler kein Wahlrecht im System der Kirche haben,  sollte ein demokratischer Staat die diktatorische Hierarchie der Kirche nicht unterstützen. Wie steht das denn im Einklang mit unserer Verfassung und der Menschenrechte?

Vorschläge an die Kirche:

1. Verhaltensregeln und Grenzen müssen deutlich festgelegt werden; z.B.
a. Saunagänge mit Minderjährigen sind nicht erlaubt.
b. Ein Pfarrer darf sich nicht zu einem Kind ins/aufs Bett legen.
c. Ein Pfarrer muss in Anwesenheit von Minderjährigen mit Hose und Hemd bekleidet sein.

2. Regeln müssen kontrolliert werden, vielleicht durch unangekündigten Besuch in den Gemeinden und im direkten Gespräch mit Gemeindemitgliedern.

3. Die zuständigen Mitarbeiter des Bischofs sollten allen Leuten bekannt sein durch ihre Präsenz in den Gemeinden.

4. In einer Krise hat der Bischof die Verantwortung und die Aufgabe,  eine Gemeinde  direkt zu begleiten.  Jedes Opfer braucht Beistand.

5. Jede Gemeinde hat ein naturgegebenes Recht auf Offenheit/Transparenz und Information.

6. Ein Redeverbot darf es nicht geben.  Es hilft nur, dass Taten vertuscht werden.  Die Wahrheit  kann dadurch nicht gefunden werden.

7. Die Kirche muss den Opfern auch finanziell helfen.  Das bedeutet als Minimum, dass die Kirche die Anwaltskosten der Opfer sowie der therapeutischen Unterstützung der Opfer übernehmen sollte. 

8. Die Kirche muss ihre hierarchische Struktur aufbrechen.  Die Arbeit in den Gemeinden muss im Vordergrund liegen.

9. Es geht nicht darum,  Ämter zu verteilen, ohne dass die jeweiligen Personen ihre Kompetenz zu diesem Amt vorweisen oder zumindest nach kurzer Zeit erlernen müssen.  Je heikler das Thema, umso sensibler und kompetenter muss damit umgegangen werden.  Wer Angst davor hat, Opfer anzusprechen, darf  diese verantwortliche  Aufgabe nicht übernehmen.  Die Kirche muss die Aufgaben der jeweiligen Ämter deutlich und praxisnah beschreiben. 

10. Die Kirche muss sich öffentlich von all denen distanzieren, die ihr Amt missbrauchen, wie in diesem Fall Pfr. K, der Täter ist, und Prälat Prassel, der den  Täter gedeckt, den betroffenen Familien gedroht und der Gemeinde geschadet hat.

11. Pfarrer, die eine Freistellung zur Seelsorge im Ausland beantragen, müssen gründlich geprüft werden, ob sie sich für diese Aufgabe eignen.  Wenn es irgendwelche Verdachtsmomente des Missbrauchs gegeben hat, dürfen sie nicht weit weg ins Ausland geschickt werden.  Außerdem müssen sie den gemessenen Respekt gegenüber den Kirchenvertretern im Ausland zeigen und dürfen sich nicht anmaßen, gegen den dortigen Bischof zu handeln.  Ein deutscher Pfarrer im Ausland vertritt die deutsche Kirche und muss sich dessen bewusst sein.

12. Die Kirchenvertreter, die über dem Angeklagten stehen,  müssen mehr auf die Opfer und auf die Gemeinden  zugehen und mit ihnen sprechen.  Leider hat man dies völlig versäumt.  Daher kann kein Opfer die jetzigen Beteuerungen der Kirche, an der Wiedergutmachung aktives Interesse zu haben, ernst nehmen.  Die Kirche ist nach wie vor völlig unglaubwürdig.

Zu diesem Fall:

Beide angesprochenen Aspekte unter  Punkt 11  wären Gründe gewesen, Pfarrer K nicht ins Ausland gehen zu lassen.  Es kommt dadurch der Verdacht auf, dass das Bistum Aachen die Verantwortung für Pfr. K gerne der deutschen Bischofskonferenz übertragen hat.  Durch den Mangel an verantwortungsvoller Überprüfung des Antragstellers Pfr. K  haben sich die Kirchenvertreter des Bistums Aachen mitschuldig an den Geschehnissen in Südafrika gemacht.  In so einem Falle müssen sich die Verantwortlichen persönlich bei den Opfern entschuldigen.  Das sind Pfr. Schmitz, der Bischof von Aachen, Erzbischof Dr. Zollitsch und Prälat Prassel.  Mit unserem Brief an die deutsche Bischofskonferenz vom 10.Mai 2008 waren die Namen, Mail-Adressen und Telefonnummern der fünf betroffenen Familien angegeben.  Es wäre damals schon angebracht gewesen, uns zu kontaktieren anstatt uns einen Monat später eine gemeinsame Antwort des Sekretärs, P. Dr. Langendörfer, zukommen zu lassen. Wir sind aber auch heute noch bereit, Gespräche entgegenzunehmen.