Vortrag einer Mutter eines betroffenen Jungen aus Südafrika

Umgang mit Opfern sexuellen Missbrauchs und deren Angehörigen

Eine Zwischenbilanz

Seit Beginn dieses Jahres ist eine Vielzahl von sexuellen Missbrauchsfällen in Deutschland durch Priester der katholischen Kirche bekannt geworden. Die katholische Kirche hat in der Öffentlichkeit hierauf reagiert und betont, dass sich die Vorgehensweise bei Missbrauchsfällen nun geändert habe.

Seit Februar 2008 sind wir, eine Gruppe von Familien, mit einem Vorfall konfrontiert, bei dem ein deutscher katholischer Priester wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs an unseren Kindern sowohl in Südafrika als auch in Deutschland angezeigt ist – ein Verfahren in Südafrika läuft zurzeit. Dies hat zu erheblichen Belastungen für unsere Kinder und die Familien geführt, und dieser Zustand dauert weiter an.

Einzelheiten des Verfahrens sind nicht Gegenstand dieser Darstellung, es ist vielmehr unser Anliegen zu zeigen, wie die katholische Kirche auf Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs, begangen an ihren eigenen, jüngsten Gemeindemitgliedern, reagiert.

Die katholische Kirche hat immer wieder betont, dass sich ihre Einstellung seit Bekanntwerden der Missbrauchsfälle und der Einsetzung der Leitlinien "Zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" grundlegend geändert habe.

Erzbischof Dr Zollitsch selbst hat in seiner Karfreitagsbotschaft vom 2.4.2010 betont:

“Die Nachrichten über den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Mitarbeiter der Kirche erfüllen uns alle mit Trauer, Entsetzen und Scham. Es erschüttert uns, welches Leid den Opfern zugefügt wurde, die oft über Jahrzehnte hinweg ihre Verletzungen nicht in Worte fassen konnten. Es wurden Wunden gerissen, die kaum mehr zu heilen sind. Umso mehr gelten unser Hauptaugenmerk, unser Mitgefühl und alle uns mögliche Unterstützung den Opfern. Heute wird uns bewusst, dass in einer anderen gesellschaftlichen Situation durch die Enttäuschung über das schmerzliche Versagen der Täter und aus falsch verstandener Sorge um das Ansehen der Kirche der helfende Blick für die Opfer nicht genügend gegeben war.”

Wie sieht nun das Hauptaugenmerk der katholischen Kirche auf die Opfer aus heutiger Sicht in unserem Fall aus?

Kurz nach Bekanntwerden der Vorfälle im Erstkommunion-Camp besuchte der damalige Leiter des katholischen Auslandssekretariats, Dr. Peter Prassel, unsere Gemeinde und wohnte der Jahresvollversammlung am 9. März 2008 bei. Doch statt einer erhofften Anhörung der betroffenen Eltern beschränkte sich Prälat Prassel darauf, folgendes Statement abzugeben:

Zitat (verbatim):

,,Ich muss Ihnen eine Mitteilung machen:

Erstens, es liegt eine Anzeige gegen Pfarrer K. vor.

Zweitens, diese Anzeige ist voreilig gemacht worden.

Drittens, die Kirche hat ein internes Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Viertens, sollte der Fall nach außen dringen, ist eine Wiedergutmachung nicht möglich.

Fünftens, ich bin nicht bereit, hierzu Fragen zu beantworten oder eine Diskussion zuzulassen."

Der Gemeinde wurde ein Redeverbot erteilt.

Nach seiner Rückkehr aus Südafrika legte Dr. Prassel völlig überraschend sein Amt als Leiter des katholischen Auslandsekretariats nieder (Verlautbarung des Vatikans vom Gründonnerstag, 20.03.2010.)

Man hätte nach Bekanntwerden der schwerwiegenden Anschuldigungen gegen Pfarrer K. vermutet, dass dies Anlass genug sei, ihn sofort vom Amt zu suspendieren. Er blieb jedoch noch ein gutes Vierteljahr im Amt, wurde erst in der Woche vom 19. Mai 2008 suspendiert.

Dies hatte zur Folge, dass es zu Ausgrenzungen der Betroffenen in der Gemeinde kam. Durch das verhängte Redeverbot wurde nie offen über den Fall informiert – die Gerüchteküche hatte Hochkonjunktur.

Als die südafrikanische Polizei Pfarrer K. in Folge unserer Anzeige verhörte, ist ihm von Anfang an ein Priester zur Seite gestellt worden.

Die Diözese Johannesburg leitete gemäß den „Leitlinien“ eine Voruntersuchung des Falles ein, stellte diese dann aber ein, als die südafrikanische Staatsanwaltschaft im Mai 2008 die Ermittlungen begann.

Ein Kontakt mit uns wurde seit dieser Zeit nicht gehalten.

Am 10. Mai 2008 richteten wir einen Brief an Erzbischof Zollitsch, in dem wir u. a. schrieben:

“… Insbesondere hatten wir ein aktives, sofortiges, menschliches seelsorgerisches Handeln in Fürsorge für die Opfer erhofft, wozu auch Gespräche mit den Kindern und ihren Eltern gehört hätten …”

Am 17 Juni 2008 erhielten wir das Antwortschreiben auf unseren Brief, verfasst vom Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Dr. H. Langendöfer, in dem uns mitgeteilt wurde:

 “… Sollte sich der Verdacht gegen Pfarrer K. [...] als begründet erweisen, werden wir selbstverständlich Hilfen anbieten, wie sie in den Leitlinien für den Bereich der Deutschen Bischofskonferenz vorgesehen sind …“

Soweit der Kontakt der Deutschen Bischofskonferenz und der Diözese Johannesburg (Stand Datum dieses Textes).

Am 14. März dieses Jahres unternahmen ein Ehepaar und ein Vater aus unserer Gruppe einen Versuch, unsere Situation sowohl der Gemeinde hier in Südafrika als auch dem besuchenden Leiter des Auslandssekretariats der Deutschen Bischofskonferenz, Pfarrer Peter Lang, bei der Jahresvollversammlung der hiesigen Gemeinde darzustellen. Unter Hinweis auf die Tagesordnung wurde keine Diskussion zugelassen.

Eine Stellungnahme der katholischen Kirche haben wir bis dato nicht erhalten.

Die oben beschriebenen Vorgänge sind unseres Erachtens nicht in Einklang mit dem öffentlich verkündeten Anspruch der katholischen Kirche, sich nunmehr in solchen oder ähnlichen Fällen fürsorglich den Opfern gegenüber zu verhalten.

Ein für uns spürbares Umdenken hat offensichtlich noch nicht begonnen.

Südafrika,  Juli 2010  

Ich würde gerne meine persönlichen Gedanken hinzufügen:

Der Vorfall geschah am 8. Februar 2008.  Es sind fünf Kinder betroffen.  Bis heute hat uns noch niemand von der deutschen Kirche kontaktiert, um sich um uns zu kümmern.

Wir wandten uns an den dortigen Bischof, der uns glaubte und Pfarrer K suspendieren wollte, aber dazu keine Befugnis hatte.  Dafür war die deutsche Bischofskonferenz zuständig, vertreten durch Prälat Prassel.  Der Bischof hielt den Kontakt mit uns über Schwester Sheilagh Mary eine Zeit lang auf; wir wurden jedoch dann wieder alleingelassen, als die Staatsanwaltschaft die Sache in die Hand nahm.

Von der deutschen Seite aus, die für uns zuständig war, wurde uns nicht nur ‚keine Hilfestellung‘ gegeben, sondern wir wurden ausgegrenzt und schikaniert;  uns wurde mit der Anklage wegen Rufmord gedroht.

Es dauerte über drei Monate, bis Pfarrer K suspendiert  wurde.  In dieser Zeit hatte er Gelegenheit, seinen Pfarrgemeinderat zu manipulieren, seine Gemeinde irrezuführen und die Katechetin, die als Einzige zu uns hielt, von ihrem Amt abzusetzen.  Pfarrer K entschied, dass sie den Unterricht für die nächste Gruppe  von Erstkommunionkindern nicht mehr durchführen sollte.  Im  Pfarrgemeinderat nickten alle mit dem Kopf, ohne weitere Begründung.

Uns Eltern gegenüber drohte Pfarrer K von Anfang an mit einer Anklage wegen Rufmordes. Den Vater eines betroffenen Jungen, der zu ihm ging und ihn zur Rede stellen wollte, bat er zuerst, ihm die Karriere nicht kaputtzumachen und dann drohte er ihm.

Von den Gemeindemitgliedern wurden wir als Feinde behandelt.  Wir waren nämlich die Schuldigen. Wir hatten ein Tabu verletzt:  es ist nämlich ein Tabu, einen Pfarrer anzuzeigen bzw. anzuklagen.

Dabei besteht in Südafrika Meldepflicht.  Wir hätten uns also schuldig gemacht, wenn wir das Vergehen der Polizei nicht gemeldet hätten.  Wir wurden ausdrücklich darauf hingewiesen, unter anderem auch von den beiden Vertretern des Bischofs, die uns anhörten (Schw. Sheilagh Mary und Father Graham Rose).

In Südafrika kann sich die Kirche nicht über den Staat und über die Gesetze stellen, so wie in Deutschland.  Das wissen die meisten Gemeindemitglieder nicht und Prälat Prassel klärte sie auch nicht auf und nannte unser Vorgehen ‚voreilig‘.

Die  Leiterin des Pfarrgemeinderates erklärte von Anfang an, dass an der Sache nichts stimmte, da Kinder  „ja sowieso lügen“.  Das wurde von anderen Aktiven aus der Gemeinde widerspruchslos übernommen.

Pfarrer K wurde im Mai endlich suspendiert.  Im Juni gab es einen ersten Termin zwischen der Staatsanwaltschaft und Pfarrer K.  Das war noch lange kein Prozess.  Jedoch ging gleich danach das Gerücht umher, dass Pfarrer K freigesprochen sei, also alles eindeutig eine Lüge gewesen sei. 

Pfarrer K war auch nach der Suspendierung noch mehrmals auf dem Pfarrgelände und dirigierte noch das Geschehen dort, obwohl ihm das verboten worden war.   Als ihm dies nochmals ausdrücklich verboten wurde, ging er nach Kapstadt zu dem deutschen Pfarrer Stefan Hippler, dieser wurde ihm von der Bischofskonferenz zur Seite gestellt.  Pfarerr Hippler war gleich beim ersten Gespräch mit der Polizei als Dolmetscher dabei.  In Kapstadt führte Pfarrer K eine Informationsveranstaltung  für die Eltern der dortigen Erstkommunionkinder durch.  Erst als wir den  Bischof von Johannesburg davon in Kenntnis setzten, wurde Pfarrer K verboten, in Kapstadt mit den Erstkommunionkindern zu arbeiten.

Zusammengefasst bekamen wir  von Seiten der Kirche folgende Reaktionen:

1.      Pfarrer K drohte und durfte monatelang manipulieren und intrigieren. 

2.      Der Bischof von Johannesburg glaubte uns und wollte sofort handeln, konnte aber nicht, weil es die Hierarchie innerhalb der Kirche nicht zuließ. 

3.      Prälat Prassel, der Vorgesetzte von Pfarrer K,  ließ sich auf kein Gespräch ein und klagte die Eltern als die Schuldigen an.

4.      Erzbischof Dr. Zollitsch von der deutschen Bischofskonferenz versprach uns erst dann Hilfestellung, wenn und  falls Pfarrer K als schuldig erklärt werden sollte.

5.      Der Pfarrgemeinderat klagte uns an, der Gemeinde zu schaden.

6.      Die Gemeinde entpuppte sich als eine äußerst unchristliche Gruppe von Menschen, die sich von ihrem führenden Pfarrer leicht manipulieren ließ.

7.      Die Katechetin, die uns beistand, wurde ausgegliedert und aus ihrem Amt gedrängt.

Viersen, den 12.8.2010